7 Konzepte der Transaktionsanalyse, die mein Leben bereichern

9. März 2018

Ein Werkzeugkoffer. So bezeichne ich die Transaktionsanalyse im beruflichen Kontext. In diesem Beitrag geht es jedoch nicht um die professionelle Anwendung. Bevor ich die Transaktionsanalyse in meinem Beruf genutzt habe, hat sie mich persönlich bereichert. Und hier ist sie eine Schatzkiste und nicht bloss ein Werkzeugkoffer.

Heute gebe ich dir Gelegenheit, einen Blick in die Schatzkiste zu werfen. Du erfährst, wie die Transaktionsanalyse mein persönliches Leben reich macht und zu mehr Lebensqualität beiträgt. Die Transaktionsanalyse hat viel zu bieten. Du wirst nicht alles sehen, was sich in „meiner“ Schatzkiste befindet. Ich greife sieben Themen heraus, die mir besonders wichtig geworden sind. Dabei werde ich mich nicht in theoretische Weiten und Tiefen begeben. Es geht mir vielmehr darum, dir aufzuzeigen, weshalb mir diese Konzepte besonders wichtig und hilfreich sind.

1. Verträge

Verträge gehören zu denjenigen TA-Schätzen, die mein Leben am meisten bereichert haben. Verträge helfen, Missverständnisse zu vermeiden. Verträge helfen mir, mich abzugrenzen. Verträge machen bewusst, worum es geht.

Verträge sind die Kläranlage der Kommunikation.
(Bernhard Schibalski)

Mir gefällt der Begriff „Kläranlage“ sehr. Verträge bringen Klärung. Wie eine Kläranlage das Wasser reinigt, befreien Verträge unsere Kommunikation von möglichen Störfaktoren. Ich würde sogar sagen, dass Verträge die Kläranlage nicht nur der Kommunikation, sondern von Beziehungen ganz allgemein sind.

Und falls du jetzt an komplexe, juristische Dokumente denkst: nein, es geht nicht darum. Wenn ich hier von Verträgen spreche, meine ich Vereinbarungen, Abmachungen. Manchmal auch einfach eine klärende Frage (eben: Kläranlage).

Ein Beispiel. Kennst du das? Jemand kündigt an, etwas mit dir besprechen zu wollen. Ihr vereinbart ein Treffen. Vielleicht morgen oder übermorgen. Bis dann dieser Tag X kommt, fahren deine Gedanken Achterbahn. Worum es wohl geht? Was will der von mir? Ein Horrorszenario jagt das nächste. Du spielst mögliche Dialoge im Kopf durch. Und die Ungewissheit bleibt.

Zugegeben es ist nicht immer ganz so extrem, was sich in meinem Kopf abspielt. Doch ich kenne solche Szenen zur Genüge. Und hier kommen nun die Verträge ins Spiel. „Worum geht es?“ Diese Frage wirkt Wunder, mindestens was das Gedankenkarussell betrifft. Sobald ich weiss, worum es im Gespräch geht, kann ich mich darauf einstellen. Natürlich ist die Ungewissheit nicht ganz weg. Und auch die inneren Dialoge gibt es möglicherweise weiter. Doch immerhin sind sie jetzt zielgerichteter.

Verträge helfen mir ausserdem, mich meiner Verantwortlichkeit und meiner Grenzen bewusst zu werden. Dadurch gelingt es mir nicht immer, jedoch deutlich häufiger, mich nicht auf unliebsame Spiele einzulassen (siehe auch Punkt 4).

2. Ich bin ok, du bist ok

Der Wert eines Menschen hat nichts mit seinem Verhalten zu tun. Diese Weisheit steckt im Ok-Begriff.

Wer die Einstellung einnimmt »Ich bin O.K., du bist O.K.« begegnet jedem Menschen als einer grundsätzlich gleichgestellten und gleichwertigen Person, […] wobei er das Verhalten anderer, das er möglicherweise beanstandet, von ihrer Person unterscheidet.
(Leonhard Schlegel)

Wir sehen, wie sich andere Menschen verhalten. Wir hören, was sie von sich geben. Und schon bilden wir ein Urteil. Dieses Urteil betrifft oft den ganzen Menschen, nicht nur die jeweilige Verhaltensweise oder Aussage.

Seit mir klar ist, dass ein Mensch (auch ich) ok ist, auch wenn ich das Verhalten oder eine Aussage nicht gutheissen kann oder will, begegne ich anderen offener und freier. Was mir nicht passt, kann ich stehen lassen oder ansprechen, ohne den Menschen in seinem Wesen zu verurteilen. Das gelingt mir nicht immer, aber immer öfter.

3. Lebensskript

Dieser Punkt ist eng mit dem letzten verknüpft.

Wir alle haben unsere Geschichte. Wir alle tragen unseren Rucksack. Oder in Worten der Transaktionsanalyse: wir alle haben unser Lebensskript.

Das Skript ist eine Art Drehbuch, das wir für unser Leben geschrieben haben.

Wie komme ich gut durch's Leben? Wie erhalte ich die nötige Ration an Zuwendung und Anerkennung? Welche Verhaltensweisen werden von meinen Bezugspersonen toleriert, welche nicht? Diese und ähnliche Fragen prägen das individuelle Skript.

Die einschränkenden Lebensskriptmuster sind als kluge Überlebensstrategien des kleinen Kindes zu verstehen, um in seiner Familie zurechtzukommen.
(Almut Schmale-Riedel)

Und jetzt komme ich zum Zusammenhang zur Ok-Haltung. Wie sich heute jemand gibt, hat oft seine Wurzeln in der Vergangenheit. Treffe ich nun auf einen Menschen, mit dessen Verhalten oder Ansichten ich Mühe habe, hilft mir das Wissen um das Skript. Was ich als unangenehm oder unangemessen halte, ist möglicherweise Teil seines Skripts. Das soll keine Entschuldigung sein. Eine Erklärung ist es jedoch alleweil. Und mit dieser Erklärung fällt es mir leichter, diesen Menschen als ok zu akzeptieren.

4. Dramadreieck

Das Dramadreieck funktioniert wie ein Warndreieck in meinem Kopf. Ein Warndreieck, das anzeigt: „Vorsicht! Psychologisches Spiel.“ Und wenn diese Warnung in meinem Hirn aufleuchtet, gelingt es mir gut, nicht in ein Spiel einzusteigen.

Falls du nicht weisst, was ich mit psychologischem Spiel und Dramadreieck meine, hier eine sehr, sehr kurze und vereinfachte Erklärung. Zwei (oder auch mehr) Personen treffen aufeinander. Beide nehmen eine Rolle im Dramadreieck ein: Opfer, Retter oder Verfolger. Mit diesen Rollen ist verbunden, dass die jeweiligen Personen irgendeinen Aspekt, der relevant wäre, nicht sehen, nicht wahrnehmen (in der Sprache der Transaktionsanalyse heisst das „discounten“). Also, die Personen treffen aufeinander, nehmen unbewusst eine der drei Rollen ein und kommunizieren miteinander. Das dauert so lange bis eine der Person die Rolle wechselt. Das bisherige Opfer nimmt beispielsweise plötzlich die Verfolgerrolle ein. Es entsteht ein Moment der Verwirrung und alle Beteiligten erleben ungute Gefühle. Das ist ein psychologisches Spiel.

Dramadreieck

Mein wunder Punkt ist die Retterrolle. Ich neige dazu, anderen helfen zu wollen. Dabei blende ich oft Möglichkeiten und Fähigkeiten aus, welche andere zur Verfügung haben. Gelangt jemand in der Opferrolle mit einem Problem zu mir – dies kann auch unterschwellig geschehen – dann regt sich in mir, der Wunsch zu helfen. Ich biete ungefragt Lösungsvorschläge an oder versuche das Problem für den anderen gleich selbst zu lösen. Das kommt selten gut. Irgendwann kommt der Rollenwechsel. Das bisherige Opfer wird zum Verfolger: „Du kannst mir ja auch nicht helfen.“ Oder: „Was mischt du dich eigentlich in meine Angelegenheiten?“ Und ich werde zum Opfer: „Ich wollte doch nur helfen… Ich armer Krebs.“

Wie am Anfang gesagt, seit das Dramadreieck in meinem Kopf als eine Art Alarmanlage funktioniert, erkenne ich solche Spiele früher. Es gelingt mir besser, nicht in die Retterrolle zu gehen und dafür das Potenzial im anderen Menschen zu aktivieren.

5. Gekreuzte Transaktionen

Eric Berne hat einen Begriff aus der Wirtschaft gewählt, um Kommunikation zu beschreiben: Transaktion. Das ist schon mal bemerkenswert. Damit drückt Berne aus, dass Kommunikation keine einseitige Angelegenheit ist. Es geht um einen Austausch. Um ein Geben und Nehmen.

Bei der Analyse der Transaktionen wird ein Hin und ein Zurück betrachtet – Stimulus und Reaktion. Dabei geht es um die Frage, welcher Ich-Zustand sichtbar ist. Ich will hier das Funktionsmodell der Ich-Zustände nicht im Detail erläutern. Nur so viel: wir haben verschiedene Möglichkeiten, wie wir uns verhalten können: fürsorglich, kritisch, sachlich-vernünftig, angepasst, rebellisch und frei.

Spricht nun jemand beispielsweise deinen angepassten Kind-Ich-Zustand an, hast du verschiedene Möglichkeiten, zu reagieren. Wenn deine Reaktion angepasst ist, liegt eine parallele Transaktion vor. Solche Transaktionen können sich beliebig lang aneinanderreihen. Es kommt zu keiner Störung im Kommunikationsfluss.

Manchmal sind parallele Transaktionen angebracht. Manchmal auch nicht. Bist du mit dem Verlauf eines Gesprächs nicht zufrieden, kannst du etwas ändern, indem du einen anderen Ich-Zustand aktivierst. Um beim Beispiel zu bleiben: dich eben nicht anpasst, sondern eine sachliche Frage stellst. Ist bei deiner Reaktion ein anderer Ich-Zustand aktiv, als derjenige, der angesprochen wurde, ist das eine gekreuzte Transaktion.

Und da sind wir beim Thema. Weshalb bereichert das Wissen um gekreuzte Transaktionen mein Leben? Die Antwort ist einfach. Ich kann Kommunikation mitgestalten. Ich bin kein Opfer des Kommukationsverhaltens meiner Mitmenschen. Bin ich mit einem Gesprächsverlauf nicht zufrieden, dann habe ich die Möglichkeit, etwas bei mir zu ändern. Ich kreuze die Transaktion.

6. Passive Verhaltensweisen

Das Passivitätskonzept, welches die Familie Schiff in die Transaktionsanalyse eingebracht hat, finde ich wirklich gut. Es geht um die Frage, wie wir Herausforderungen nicht aktiv oder nicht effektiv angehen. Aus dem Strauss von Modellen und Theorien zur Passivität greife ich die passiven Verhaltensweisen heraus. Es sind vier unbewusste Strategien, mit denen jemand einem Problem oder einer Aufgabe ausweicht und sie nicht löst.

Du kannst einerseits einfach nichts tun. Das ist dann Passivität im wahrsten Sinne des Wortes. Die drei anderen Arten wirken zwar teilweise sehr aktiv, sind es aber in Bezug zur Herausforderung, die es zu lösen gilt, nicht. Bei der Überanpassung versuchst du die (vermuteten) Erwartungen anderer zu erfüllen. Dein Problem bleibt dabei ungelöst. Die dritte Variante ist nicht zielgerichtete Aktivität. Die Energie, die du hättest, um ein Problem zu lösen, wird in andere Handlungen umgeleitet. In der Transaktionsanalyse heisst das Agitation. Das kann von Trommeln mit den Fingern über nervöses Rauchen bis hin zum Putzen einer (bereits ziemlich sauberen) Wohnung gehen. Und dann gibt es noch die Beeinträchtigung. Du machst dich selbst unfähig, das Problem zu lösen. Es gibt viele Möglichkeiten der Selbstbeeinträchtigung. Ein Besäufnis, psychosomatische Leiden oder ein Nervenzusammenbruch sind einige davon. Du kannst auch andere beeinträchtigen, indem du ihnen psychisch oder physisch Gewalt anwendest. Manchmal steigert sich das passive Verhalten vom Nichtstun über Überanpassung und Agitation bis hin zur Selbstbeeinträchtigung oder Gewalt. Das muss aber nicht so sein.

Seit ich diese Verhaltensweisen kenne, wird es mir im Alltag viel häufiger bewusst, wenn ich sie gerade wieder lebe. (Meine persönliche „Lieblingsart“ des passiven Verhaltens ist die Agitation.) Das wiederum gibt mir einen Hinweis, dass es wahrscheinlich etwas zu lösen gibt. Ich frage mich dann, was mich daran hindert, die Herausforderung anzugehen. Und so ist es mir schon manches Mal gelungen, aktiv zu werden.

7. Positiv-bedingungslose Strokes

Über Strokes gäbe es viel zu schreiben. Über die Zuwendung, die wir so dringend brauchen, weil sie unseren Hunger nach Anerkennung stillt. Im Beitrag Wie du das Selbstbewusstsein stärken kannst habe ich einiges dazu geschrieben. Und gelegentlich werden auch noch weitere Blogbeiträge zum Thema folgen.

Hier geht es lediglich um die Frage: wo erhalte ich positiv-bedingungslose Strokes? Und diese Frage hat es in sich. Oder vielleicht eher die Antwort auf die Frage.

Achte mal bewusst darauf, wann und wieviel du positive Zuwendung erhältst, die nicht an ein Verhalten gekoppelt ist – also eben bedingungslos. Und überlege dir, von welchen Menschen erhältst du diese Art der Anerkennung. Bei welchen Menschen kannst du einfach sein und dich akzeptiert fühlen, ohne etwas leisten zu müssen?

Wenn ein Freund mich liebt und ich ihm wichtig bin, „obgleich er mich kennt“, geht das über eine an ein Verhalten geknüpfte positive Zuwendung hinaus, wie: „Es freut mich, dass du das für mich erledigt hast!“, das hat eine grundsätzlich andere Qualität.
(Leonhard Schlegel)

Seit ich darauf achte, dass und von wem ich diese Zuwendung erhalte, nehme ich sie viel bewusster in mich auf. Und ich suche und geniesse die Zeit mit Menschen, die mich bedingungslos akzeptieren. Es ist wie ein tiefes Einatmen der positiv-bedingungslosen Strokes. Die Folge ist, dass mein Hunger nach Anerkennung auf gute Weise gestillt wird. Natürlich freue ich mich auf über ein Kompliment für mein Verhalten oder eine Leistung. Und ich bin auch offen für Kritik, die dazu beiträgt, dass ich mich weiterentwickeln kann. Doch wenn ich regelmässig bedingungslose Zuwendung einatme und in mir setzen lasse, bin ich nicht mehr gleich von den bedingten Strokes abhängig. Kurz gesagt: ich bin ausgeglichener.

Und du?

Du kennst nun sieben Schätze aus meiner TA-Schatzkiste. Welches sind die Konzepte und Modelle, die deinen Alltag besonders bereichern? Schreibe einen Kommentar! Ich bin gespannt.

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  1. Lieber Jürg Bolliger,

    ich hole mir von Dir so viele wertvolle Anregungen, wie ich TA praxisorientiert rüberbringen und anwenden kann! Ganz herzlichen Dank dafür, dass Du Dein Wissen und Deine kreativen Ideen so großzügig teilst. Und ganz nach der Vertragsbedingung der Ausgeglichenheit von geben und nehmen: Wie kann ich Dir etwas zurückgeben?

    Hier erst mal zumindest liebe Grüße und die allerbesten Wünsche für das Neue Jahr (bestelle ich beim Universum für Dich 😉 )

    Ingrid Asche

    1. Liebe Ingrid

      Vielen Dank für deine Rückmeldung. Schön, dass meine Impulse gut bei dir ankommen.

      Als „Gegenleistung“ freue ich mich, wenn du meine Seite(n) teilst, so dass andere ebenfalls auf mich aufmerksam werden.

      Beste Grüsse
      Jürg

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